Cannabis und Psychose

Starker Cannabiskonsum erhöht das Psychose-Risiko. Aber nicht alle der täglich Konsumierenden werden psychotisch. Eine aktuelle Studie findet Hinweise, dass das Immunsystem Einfluss darauf haben könnte, ob eine Person psychotisch wird.

Nicht alle stark Kiffenden werden psychotisch

Wie kommt es, dass manche Menschen eine Psychose entwickeln, andere aber nicht, obwohl sie genauso viel kiffen? Eine aktuelle Studie aus Brasilien liefert dazu eine mögliche Erklärung. Die Studie ist Teil eines größeren Forschungsvorhabens, das in mehreren europäischen Ländern sowie in Brasilien umgesetzt wird. 2019 hat der Forschungsverbund eine Studie veröffentlicht, der zufolge täglicher Cannabiskonsum das Risiko für Psychose um das Dreifache erhöht. Wer täglich kifft und dabei hochpotenten Cannabis bevorzugt, hat sogar ein annähernd fünffach höheres Risiko als abstinente Personen. Dennoch werden nicht alle Menschen, die intensiv kiffen, psychotisch.

In der neuen Studie ist ein Forschungsteam unter der Leitung von Cristina Marta Del-Ben dem Verdacht nachgegangen, dass das Immunsystem Einfluss nimmt auf den Zusammenhang zwischen Cannabis und Psychose. Genau genommen ging es um die Anwesenheit von Zytokinen. Zytokine sind Bestandteile des Immunsystems und deuten auf eine erhöhte Entzündungsaktivität im Körper hin. Bei Personen, die akut an einer Psychose erkrankt sind, wurden in früheren Studien erhöhte Entzündungswerte gefunden. Bekannt ist auch, dass Endocannabinoid-Rezeptoren am Immunsystem beteiligt sind.

Das Forschungsteam hat 153 Patientinnen und Patienten untersucht, die erstmals an einer Psychose erkrankt sind. Zusätzlich wurden 256 Personen als Kontrollgruppe hinzugezogen. Allen Beteiligten wurde Blut abgenommen, um das Level an Zytokinen bestimmen zu können. Die Analysen zeigten: Im Zusammenspiel mit Cannabiskonsum haben Zytokine tatsächlich Einfluss auf das Psychose-Risiko.

Starker Cannabiskonsum und erhöhte Entzündungswerte lassen Psychose-Risiko ansteigen

Del-Ben und ihr Team haben herausgefunden, dass täglicher Cannabiskonsum bedeutsam das Psychose-Risiko erhöht. Dies traf aber nur auf jene Personen zu, bei denen die Zytokin-Konzentration im Blut einen bestimmten Wert überschritten hat. Kiffer, die unter dieser Schwelle lagen, hatten kein erhöhtes Psychose-Risiko.

Ein erhöhtes Psychose-Risiko war auch dann gegeben, wenn die untersuchten Personen bereits in der Jugend in den Cannabiskonsum eingestiegen waren. Der frühe Einstieg in den Cannabiskonsum greife vermutlich über das Endocannabinoid-System in die Gehirnentwicklung und damit auch in die Aktivität des Immunsystems ein.

Der Grund, warum manche Kiffer psychotisch werden, könnte somit in ihrem Immunsystem liegen. Erhöhte Entzündungswerte im Blut könnten nach Einschätzung des Forschungsteams die biologische Grundlage für eine erhöhte Psychose-Anfälligkeit bilden. Cannabiskonsum allein sei noch kein hinreichender Risikofaktor. Erst die Kombination eines erhöhten Zytokin-Levels mit täglichem Cannabiskonsum oder dem frühen Einstieg in das Kiffen führe zu einem erhöhten Psychose-Risiko.

Bleibt die Frage nach der Ursache für die erhöhte Entzündungstätigkeit. Nach Angaben des Forschungsteams gibt es Hinweise aus tierexperimentellen Studien, dass bestimmte genetische Veränderungen mit einer erhöhten Entzündungsaktivität des Immunsystems einhergehen. Dies gelte es in zukünftigen Studien bei Menschen näher zu untersuchen.

Originalpublikations:
Corsi-Zuelli, F. , Marques, L., Leite da Roza, D., Loureiro, C. M., Shuhama, R., Di Forti, M., Rossi Menezes, P., Louzada-Junio, P. & Del-Ben, C. M. (2021). The independent and combined effects of cannabis use and systemic inflammation during the early stages of psychosis: exploring the two-hit hypothesis. Psychological Medicine, 1-11. doi:10.1017/S0033291721000726.

Quelle: www.drugcom.de, 11.8.2021