Aufmerksamkeit auf den eigenen Körper reduziert Stress und verbessert Impulskontrolle
Tief einatmen, langsam ausatmen. Beim Yoga spielt nicht nur die Atmung eine wichtige Rolle. Es geht auch um das Einnehmen bestimmter Körperhaltungen, um meditative Übungen und andere Aspekte, die sowohl den Körper als auch den Geist ansprechen. Yoga habe daher Einfluss auf den Hirnstoffwechsel und könne beim Entzug von einer Drogenabhängigkeit helfen, erläutert der Forscher Nilkamal Singh in einem Fachartikel. Singh ist Professor am Institut für Yoga an der Manipur Universität in Indien.
Wirkung von Yoga auf den Dopaminhaushalt
Singhs Recherchen zufolge habe Yoga unter anderem einen neurobiologischen Effekt auf das Belohnungssystem. Der Hirnbotenstoff Dopamin ist in diesem Zusammenhang wichtig. Eine verstärkte Dopaminausschüttung erleben wir als angenehm, also als belohnend. Durch Drogenmissbrauch wird das Belohnungssystem jedoch unempfindlicher gegenüber der Wirkung von Dopamin. Die Folge ist, dass die Person immer mehr von der Droge konsumieren muss. Andere weniger belohnende Dinge werden unwichtiger. Bestimmte Yoga-Meditationsübungen können nun laut Singh dabei helfen, die Dopaminkonzentration im Gehirn wieder zu erhöhen.
Studien zufolge würden auch Bereiche im Frontalhirn durch Yoga gestärkt. Das Frontalhirn gilt als Sitz höherer geistiger Funktionen wie Entscheiden oder Nachdenken. Diese Hirnregion ist dafür zuständig, dass wir uns vernünftig verhalten und den Verlockungen des Belohnungssystems trotzen.
Yoga könnte Entzugssymptome lindern
Kennzeichen einer Abhängigkeit sind vor allem Entzugssymptome. Diese können Stress auslösen, wobei bestimmte Hormone wie Cortisol ausgeschüttet werden. Eine Studie habe laut Singh nachweisen können, dass Yoga die Ausschüttung von Stresshormonen reduziert. Dabei spiele vor allem die Atemkontrolle beim Yoga eine Rolle. Diese aktiviere den Vagus-Nerv, der eine beruhigende Wirkung auf den Organismus hat.
Auch die beim Yoga praktizierte Aufmerksamkeit auf den eigenen Körper und die eigenen mentalen Vorgänge haben laut Singh einen positiven Effekt auf Sucht. Denn Sucht sei auch ein Problem mangelnder Impulskontrolle. Durch die verbesserte Wahrnehmung innerer Zustände hätten Betroffene die Chance, aufkommende Impulse wie beispielsweise den Wunsch nach Drogenkonsum besser in den Griff zu kriegen. Dieser Effekt sei im Rahmen von Studien bestätigt worden, in denen die Magnetresonanztomographie (MRT) zum Einsatz kam. Teilnehmende, die Yoga praktizierten, waren bei einer geistig anspruchsvollen Aufgabe besser als Kontrollpersonen in der Lage, Bereiche im Frontalhirn zu aktivieren, und haben sich weniger ablenken lassen.
Wenige Studien zur Wirkung von Yoga bei Drogenabhängigen
Studien zur Wirkung von Yoga seien aber bislang meist mit Menschen durchgeführt worden, die keine Abhängigkeitserkrankung haben sind, erklärt Singh. Ob Yoga Drogenabhängigen hilft, sei daher noch offen. Insgesamt würde die Studienlage laut Singh aber dafürsprechen. Gut untersucht ist hingegen, dass Sport generell den Drogenentzug unterstützt. Das kann für den einen Jogging und für die andere Yoga sein.
Originalpublikation:
Singh, N. (2024). Neurobiological basis for the application of yoga in drug addiction. Frontiers in Psychiatry, 15, 1373866. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2024.1373866
Quelle: https://www.drugcom.de/, 3.7.2024