Kurzfristige Belohnungen beeinflussen uns bei langfristigen Entscheidungen
Kurzfristige Belohnungs- und Bestrafungserlebnisse verzerren unser Urteilsvermögen und halten uns davon ab, die besten Lösungen für langfristige Entscheidungen zu finden. So ist die Entscheidung, langfristig abzunehmen, zunächst mit zeitnaher Anstrengung verbunden, die Entscheidung, Fastfood zu essen, unmittelbar zwar belohnend, langfristig aber negativ. Den Zusammenhang zwischen kurzfristigen Ergebnissen und langfristigem Entscheiden wurde in einer Studie von Neuropsychologen um Dr. rer. nat. Adrian Fischer von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg untersucht, die soeben im Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlicht wurde. Die Forschungsergebnisse könnten künftig helfen, zum Beispiel Suchtverhalten und -mechanismen besser zu verstehen und zu behandeln.
„Der Mensch kann als einziges Lebewesen Wissen direkt nutzen, um sich – ungeachtet kurzfristiger Belohnungen oder Bestrafungen – für langfristig optimale Lösungen zu entscheiden“, so Dr. Adrian Fischer. „Manchmal basieren diese Entscheidungen auf eigenen Erfahrungen, aber oft müssen wir uns auf abstrakte Informationen verlassen, da wir langfristige Konsequenzen unserer Entscheidungen nicht selbst erlebt haben.“ Zum Beispiel verzichteten viele Menschen auf ungesundes Essen, aber nicht etwa, weil sie schon selbst erlebt hätten, dass Gewicht oder Cholesterinspiegel stiegen, sondern aufgrund von Informationen über die negativen Langzeitfolgen. „Unsere Daten zeigen aber, dass auch Menschen, die wissen, dass Fastfood langfristig schlecht ist, unter bestimmten Bedingungen die Folgen verharmlosen: Hat es uns gut geschmeckt, halten wir wider besseres Wissen die Langzeitfolgen für weniger schlimm. Gleiches gilt umgekehrt für das Erleben von Bestrafungen.“
Die Wissenschaftler verglichen die Entscheidungen ihrer Probanden auch mit denen von Computerprogrammen: Wählte der Computer immer die langfristig vernünftigen Lösungen, waren die Versuchspersonen bei der Entscheidungsfindung von kurzfristigen, zeitlich davorliegenden Erlebnissen stark beeinflusst und nicht mehr in der Lage, künftige Konsequenzen korrekt einzuschätzen. Mittels funktioneller Kernspintomographie fanden die Forscher außerdem heraus, dass überraschenderweise gerade die Versuchsteilnehmer am besten in der Lage waren, spätere Konsequenzen ihrer Entscheidungen real einzuschätzen, deren Hirnaktivität am stärksten kurzfristige Ereignisse widerspiegelte. „Das legt nahe“, so Dr. Adrian Fischer, „dass nicht ein Mangel von Wissen einzelne Menschen schlechtere langfristige Entscheidungen treffen lässt, sondern die fehlende Integration von direkten Erlebnissen.“ Die vollständige Studie steht zur Verfügung unter http://link.ovgu.de/naturepaperfischer.
Pressestelle der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, 23.11.2017