Allrounder mit Missbrauchspotenzial
Die Heessener Suchtgespräche sind mittlerweile eine etablierte Veranstaltungsreihe. In diesem Rahmen berichtete am 13.06.2018 Dr. Christoph Bartels, leitender Arzt der Klinik am Schloßgarten in Dülmen, über das Medikament Pregabalin.
2004 auf den Markt gekommen, entwickelte sich Pregabalin rasch zu einem Allrounder bei Neurologen, Psychiatern und Schmerztherapeuten. Dabei ist die Zulassung recht eingeschränkt. In der Psychiatrie gilt sie nur für die Indikation Generalisierte Angststörung. Aber es gibt jede Menge Off-Label-Verschreibungen. In der Suchtmedizin wurden zunehmend Erfahrungen gesammelt, dass Patienten gezielt nach Pregabalin fragten. Ein Missbrauchspotential lag nahe – 2010 erschienen erste Studien hierzu (Grosshans, Mutschler, Hermann et al.; Schwan, Sundstrom, Stjernberg et al.; Caster, Edwards, Noren, Lindquist). Zunächst konnte Pregabalin in Drogenscreenings nicht nachgewiesen werden. Als dies möglich war, spülte es Entzugsstationen und Rehabilitationskliniken leer. Mittlerweile sollte es in Praxen und Kliniken zur Regel gehören, auch auf Pregabalin zu untersuchen, so Dr. Bartels. Von der Pharmakokinetik und vom Nebenwirkungsprofil her liegt eine mögliche Abhängigkeitsentwicklung nahe.
An den LWL-Kliniken Münster und Lengerich wurden im Jahr 2016 über ein Quartal alle Patienten, die zur Suchtbehandlung kamen (egal mit welchen Substanzen), bei Aufnahme auf Pregabalin gescreent. Es konnten 1.037 Patienten erfasst werden. Bei den polyvalent Abhängigen wurde für 38 Prozent ein positiver Nachweis auf Pregabalin erbracht, während über alle Patienten der Nachweis nur bei acht Prozent lag. Insbesondere bei Patienten, die keine Opiate nahmen, waren die Prozentzahlen gering.
Dr. Bartels resümierte, dass Pregabalin einen Stellenwert in der Medizin hat. Es wirkt bei Angststörungen gut. In der Schmerzmedizin kann es gut bei neuropathischen Schmerzen eingesetzt werden. Vorsicht ist jedoch bei abhängigkeitserkrankten Patienten geboten. Bei Patienten mit einer polyvalenten Abhängigkeit gibt es einen sehr hohen Beikonsum.
Mit knapp vierzig Teilnehmern, die v.a. aus Drogenberatungsstellen und der schmerztherapeutisch orientierten Klinik für Manuelle Therapie in Hamm kamen, war die Veranstaltung gut besucht. Der Vortrag regte zu vielen Diskussionsbeiträgen an. Geplant ist nun im Rahmen der Heessener Suchtgespräche eine Diskussionsrunde zur „Sucht im Alter“ und zu „Cannabis – Medikament oder Droge“.
Text: Dr. Andreas Rhode, Fachklinik Release, Ascheberg-Herbern