Ergebnisse einer repräsentativen Befragung der Frankfurter Bevölkerung zum Thema Cannabis
Hintergrund für die Befragung sind die von der Bundesregierung geplanten weitreichenden Änderungen in Bezug auf den Umgang mit Cannabis zum Freizeitkonsum. Im Eckpunktepapier der Bundesregierung vom April ist als erster Schritt eine Entkriminalisierung vorgesehen. Eigenanbau und die Mitgliedschaft in Anbauvereinen sollen ermöglicht werden. Dafür liegt mittlerweile ein erster Gesetzentwurf vor. Der zweite Schritt sieht die modellhafte Erprobung einer kommerziellen Lieferkette für Genusscannabis in ausgewählten Regionen vor. Die Stadt Frankfurt am Main hat bereits angekündigt, sich gemeinsam mit der Stadt Offenbach als Modellregion zu bewerben.
„Viele Fragen zur Ausgestaltung der Neuregelungen sind noch offen“, betont Dr. Artur Schroers, der Leiter des Drogenreferats. „Doch unabhängig von der konkreten Umsetzung werden sich die kommenden Veränderungen auf eine Großstadt wie Frankfurt am Main auswirken. Deswegen war es uns wichtig, belastbare Daten über die Einstellungen, Erwartungen und Bedarfe der Stadtbevölkerung rund um das Thema Cannabis zu erhalten.“
Eigentlich sollte die Studie bereits im Juni 2023 veröffentlicht werden. Aufgrund eines Manipulationsversuchs der Studienergebnisse verzögerte sich der Termin. 350 sehr aufwändig gefälschte Fragebögen waren in ebenfalls gefälschten Rückumschlägen an das auswertende Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (ISD) in Hamburg geschickt worden. Durch eine umfangreiche Überprüfung aller eingegangenen Fragebögen konnten alle Fälschungen zweifelsfrei aufgespürt und aus dem Datensatz entfernt werden.
Hohe Zustimmungswerte zu einer Legalisierung
10.000 zufällig ausgewählte Erwachsene in Frankfurt wurden angeschrieben. Es gab die Möglichkeit zur postalischen Beantwortung und zu einer Online-Teilnahme. Die Netto-Rücklaufquote betrug 27,3 Prozent. Das ist für eine postalische Befragung dieser Art ein guter Wert.
Die Frankfurterinnen und Frankfurter sprechen sich mehrheitlich für eine Legalisierung von Cannabis aus: 65,8 Prozent der Befragten befürworten uneingeschränkt oder eher die kontrollierte Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken an Erwachsene. Dies gilt etwas mehr für Männer (70,6 Prozent) als für Frauen (60,5 Prozent). Die Zustimmung steigt zudem mit der Höhe der Bildungsabschlüsse. Die Befragten ohne Schulabschluss oder mit einem Hauptschulabschluss sprechen sich zu 56,1 Prozent eher oder absolut für die Legalisierung aus, Befragte mit Mittlerer Reife zu 62,2 Prozent und Befragte mit (Fach-)Abitur zu 70,1 Prozent. Starke Unterschiede werden auch beim Alter sichtbar: Tendenziell ist die Zustimmung unter den jüngeren Befragten stärker ausgeprägt: Während bei den 25- bis 34-Jährigen ungefähr drei von vier Befragten (78,2 Prozent) einer Legalisierung absolut oder eher zustimmen, sind es bei den 65- bis 79-Jährigen nur etwas mehr als die Hälfte (52,1 Prozent).
Hilfesystem stößt auf hohe Akzeptanz, aber auf geringe Bekanntheit
Von großer Bedeutung sind für den Leiter des Drogenreferats Schroers die Einschätzungen der Befragten zum Hilfesystem. 87,6 Prozent der Befragten würden einer Person aus ihrem Freundes- oder Familienkreis mit problematischem Cannabiskonsum sicher oder wahrscheinlich empfehlen, Hilfe-Einrichtungen aufzusuchen. Und sogar 92,9 Prozent würden bei problematischem Cannabiskonsum sicher oder wahrscheinlich Drogen- und Suchtberatungsstellen für sich in Anspruch nehmen oder einer anderen Person empfehlen. Schroers schließt daraus: „Die Frankfurter Bürgerinnen und Bürger vertrauen dem vorhandenen Hilfesystem und insbesondere den Drogen- und Suchtberatungsstellen.“
Der hohen Akzeptanz des Hilfesystems steht allerdings die geringe Bekanntheit gegenüber: Mehr als die Hälfte der Befragten (54,9 Prozent) wissen ganz sicher oder wahrscheinlich nicht, wo sie für sich oder andere Personen Hilfe bei einem problematischen Cannabiskonsum in Frankfurt bekommen könnten. Das betrifft vor allem Personen mit geringer formaler Bildung: Zwei von drei Befragten (63,8 Prozent) ohne Schulabschluss oder mit Hauptschulabschluss geben an, ganz sicher oder wahrscheinlich nicht zu wissen, wo sie sich bei einem problematischen Cannabiskonsum in Frankfurt hinwenden könnten. Für Schroers ergibt sich daraus: „Der Bekanntheitsgrad der Hilfsangebote muss verbessert werden.“
Interessanterweise geben auch fast zwei von drei Personen (63,6 Prozent) an, sicher oder wahrscheinlich eine Beratung in einer Cannabis-Verkaufsstelle als Informationsmöglichkeit in Anspruch nehmen zu wollen, wenn es zu einer Legalisierung kommt. Noch mehr sind es bei den besonders betroffenen Gruppen wie den Personen mit Cannabiskonsum in den letzten 30 Tagen, den jungen Erwachsenen bis 25 Jahren und den Personen, die im Falle einer Legalisierung erstmals oder zum ersten Mal nach langer Zeit Cannabis konsumieren würden. Für Schroers unterstreichen diese Daten die hohen Anforderungen, die an Abgabestellen bezüglich Vernetzung mit dem Drogen- und Suchthilfesystem und Qualifikation der Mitarbeiterschaft zu richten wären.
Prävention und Jugendschutz sind wichtig, ebenso die Bedarfe der Konsumierenden
„Mir ist die Beachtung von Prävention und Jugendschutz sehr wichtig“, erklärt Schroers. „Ich bin froh, dass ich damit in Frankfurt offensichtlich nicht alleine bin.“ Eine deutliche Mehrheit von 91,3 Prozent der Befragten hält schulische Prävention über die Risiken des Cannabiskonsums ab Klassenstufe 7 für sehr oder eher sinnvoll, wenn Cannabis legalisiert wird. Fast genauso hoch ist der Anteil (91 Prozent) der Personen, die sich Fortbildungen für Hausärztinnen und Hausärzte wünschen. Und eine sehr große Mehrheit setzt sich auch dafür ein, dass Cannabis nur an Volljährige abgegeben werden darf: 90,6 Prozent stimmen diesem Regelungsvorschlag absolut oder eher zu.
Zahlreiche Ziele einer Legalisierung, wie die Zurückdrängung des Schwarzmarkts oder eine Reduzierung von Gesundheitsschäden durch verunreinigtes Cannabis, lassen sich nur erreichen, wenn Konsumentinnen und Konsumenten, die Cannabis bisher illegal beziehen, für einen dann legalen Markt gewonnen werden. Viele Details der bisherigen Überlegungen, insbesondere Eigenanbau, Cannabis Social Clubs und spezialisierte Cannabis-Verkaufsstellen, stoßen bei dieser Personengruppe auf hohe Zustimmungswerte. Zu einer THC-Obergrenze äußert sich hingegen eine Mehrheit (53,9 Prozent) mit Cannabiskonsum in den letzten 30 Tagen (absolut oder eher) ablehnend. Schroers schließt daraus: „Eine pauschale THC-Obergrenze erscheint vor dem Hintergrund dieser Überlegungen nicht sinnvoll.“
Kein massiver Anstieg des Cannabiskonsums zu erwarten
Eine häufig geäußerte Sorge in Bezug auf eine Cannabis-Legalisierung bezieht sich auf eine daraus resultierende massive Zunahme des Konsums („Dammbruch-Szenario“). Die hier vorliegenden Daten legen einen solch dramatischen Anstieg nicht nahe. Drei von vier Befragten würden an ihrem bisherigen Konsumverhalten nichts ändern: 61 Prozent geben an, auch nach einer Legalisierung weiterhin nicht Cannabis konsumieren zu wollen. 11,7 Prozent würden ihren bisherigen Cannabiskonsum beibehalten. 13,5 Prozent können noch nicht einschätzen, ob sie ihr Verhalten ändern werden. Fast genauso viele Befragte würden Cannabis erstmalig (3,6 Prozent) oder nach einer langen Zeit ohne Konsum wieder konsumieren (8,2 Prozent). 1,4 Prozent der Befragten geben die Einschätzung ab, mehr Cannabis als bisher zu konsumieren. Immerhin 0,6 Prozent denken, es wird weniger. Diese Selbsteinschätzung der Frankfurter Bevölkerung deckt sich mit empirischen Daten aus Ländern, die bereits Erfahrungen mit einer Cannabis-Legalisierung gesammelt haben. Übersichtsarbeiten legen für den US-amerikanischen und kanadischen Raum einen eher moderaten Anstieg des Konsums unter Erwachsenen nahe.
Für den Leiter des Drogenreferats ist es wichtig, auch die positiven Auswirkungen von Entkriminalisierung und Legalisierung in den Blick zu nehmen. Vor allem bereits Konsumierende wären von einer Reihe von Verbesserungen betroffen, ist er überzeugt: „Sie müssen keine Strafverfolgung mehr fürchten. Durch qualitätsgesicherte Produkte sind sie weniger gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Und sie treten nicht mehr zwangsläufig in Kontakt mit dem Schwarzmarkt.“
Schroers erhofft sich von einer Legalisierung zudem eine Enttabuisierung des Themas: „Dadurch kann über Cannabis offener und ehrlicher kommuniziert werden. Dies wird sich sowohl für die Prävention bei jungen Menschen als auch für den Gesundheitsschutz als hilfreich erweisen.“
Der vollständige Abschlussbericht sowie eine Kurzfassung davon stehen auf der Homepage des Drogenreferats zum Download zur Verfügung.
Pressestelle der Stadt Frankfurt am Main, 5.9.2023