Insgesamt leichter Rückgang des Konsums - bei gefährdeten Gruppen am meisten Veränderungen
Entgegen allen Befürchtungen haben die Pandemie und die Schutzmaßnahmen den Alkoholkonsum in der Allgemeinbevölkerung nur wenig verändert. Eine Untersuchung von Sucht Schweiz im Auftrag des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) zeigt nebst einem leichten Rückgang der durchschnittlich konsumierten Menge auch Veränderungen bei besonders gefährdeten Gruppen. Insgesamt gilt, dass jene, die mehr Alkohol konsumierten, oft mehr Freizeit oder Stress als Grund nennen.
Sucht Schweiz hat im Auftrag des BAZG die Veränderungen der Trinkgewohnheiten im Zuge der COVID-19-Maßnahmen untersucht. In einer repräsentativen Befragung wurden im Sommer 2021 rund 2.000 Personen ab dem Alter von 15 Jahren zu ihrem Alkoholkonsum und den Alkoholkäufen befragt. Im Fokus stand der Zeitraum zwölf Monate vor und nach Einführung der Schutzmaßnahmen Mitte März 2020.
Der Konsum hat um monatlich 2,6 Standardgetränke pro konsumierende Person abgenommen. Das entspricht einem Rückgang von 7,7 Prozent in der Allgemeinbevölkerung. Beim Rauschtrinken ist etwa eine Gelegenheit monatlich weniger zu beobachten, was einem Rückgang von 17 Prozent gleichkommt. Dies dürfte in erster Linie mit der zeitweiligen Einschränkung bei privaten Treffen, der Schließung von Gastronomiebetrieben oder mit eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten zu tun haben. „Während die meisten Menschen ihren Konsum nur wenig verändert haben, ist bei gefährdeten Gruppen eine Polarisierung des Verhaltens zu beobachten. Einige reduzierten ihren Konsum eher, während andere mehr tranken“, erklärt Florian Labhart, Forscher bei Sucht Schweiz.
Veränderungen beim Konsum daheim
Beim Trinken zu Hause haben nach eigener Wahrnehmung 16 Prozent der Befragten ihren Konsum ein wenig oder stark reduziert, dagegen 17 Prozent ein wenig oder stark erhöht. Die Zahlen sind für Männer und Frauen vergleichbar. Die Konsumerhöhung lässt sich im Wesentlichen bei Jugendlichen und jungen Erwachsen (bis zu einem Alter von 44 Jahren) beobachten, während der Konsum bei den älteren Altersgruppen eher rückgängig war. Wie zu erwarten, nahm der Konsum im Ausgang (Restaurants, Bars) insgesamt ab.
Erhöhung bei den Alkoholimporten
Die Menschen haben im Zuge der Pandemie insgesamt etwas weniger Alkohol gekauft und auch im Ausland weniger eingekauft. Dafür erhöhten sich die Alkoholimporte der Schweiz im Jahr 2020 um fast 30 Prozent im Vergleich zu 2019, wie die Einfuhrstatistik des BAZG zeigt.
Gründe für die Konsumentwicklungen
Als Grund für einen erhöhten Alkoholkonsum werden in erster Linie das Vergnügen, mehr Freizeit in Ermangelung anderer Aktivitäten, erhöhter Stress, Langeweile oder Bewältigung bei deprimierten Verstimmungen genannt. Die Konsumreduktion wird in erster Linie mit dem Fehlen geselliger Gelegenheiten oder gesundheitlichen Aspekten begründet.
Auch in der Pandemie: Konsum bei jungen Menschen
Die allgemein leicht rückläufige Tendenz ist bei beiden Geschlechtern, aber vor allem in den Altersgruppen ab 25 Jahren zu beobachten. Bei den 15- bis 24-Jährigen zeigt sich trotz eines Anstiegs der Abstinenzzahlen eine erhöhte Trinkmenge bei den Konsumierenden. Diese Entwicklung dürfte im Wesentlichen auf eine altersbedingte Sozialisation in den Alkoholkonsum zurückzuführen sein.
Gefährdete Gruppen unterstützen
Obwohl das Trinkverhalten in der Allgemeinbevölkerung leicht zurückging, gibt es verschiedene Risikogruppen. Sie trinken Alkohol, um sich bei Niedergeschlagenheit, schlechter Stimmung oder bei Problemen zu entlasten. Es sind dies insbesondere Menschen, deren wirtschaftliche Situation sich verschlechtert hat, die Angst vor COVID-19 haben und Eltern von Kleinkindern. Auch wenn sich die Lage in den letzten Wochen in vielen Bereichen wieder normalisiert hat, bleibt es wichtig, die Entwicklung im Auge zu behalten. Das Ziel ist, gefährdete Gruppen zu unterstützen und im Falle einer erneuten Krisensituation zu schützen.
Originalpublikation:
Changements des habitudes de consommation et d’achat d’alcool durant la première année de la crise du COVID-19 et facteurs de risque associés (mit deutscher Zusammenfassung)
Pressestelle von Sucht Schweiz, 17.3.2022