Projekt SAM mit vdek-Zukunftspreis 2017 ausgezeichnet
Unter dem Titel „Gesundheit für Ältere gestalten – Lebensqualität fördern“ hatte der Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek) zur Bewerbung um den vdek-Zukunftspreis 2017 aufgerufen. Das Projekt SAM (Suchtgefährdete Alte Menschen) der Stadtmission Nürnberg wurde mit dem zweiten Platz und einem Preisgeld von 3.500 Euro ausgezeichnet.
Das Projekt SAM (Suchtgefährdete Alte Menschen) der Stadtmission Nürnberg unterstützt Pflegekräfte und
Pflegeeinrichtungen dabei, Betreute mit problematischem Alkohol- oder Medikamentenkonsum besser zu versorgen. Dabei sollen gemeinsam mit den Betroffenen Wege des Umgangs mit der Suchterkrankung gefunden werden. Auch Angehörige erhalten bei SAM Beratung und Unterstützung.
Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit bei älteren Menschen ist ein Massenphänomen. Nach offiziellen Statistiken sind etwa 400.000 der über 60-Jährigen in Deutschland alkoholabhängig, und etwa zehn Prozent der Bewohner in Alten- und Pflegeheimen haben einen problematischen Alkoholkonsum. Eine Medikamentenabhängigkeit, insbesondere von Schlaf- und Schmerzmitteln, besteht nach Schätzungen gar bei 25 Prozent aller über 70-Jährigen. Eine große Herausforderung für die Einrichtungen – und ein Feld mit dringendem Handlungsbedarf. „Das sind jedoch absolute Tabuthemen“, sagt Sozialpädagogin Erica Metzner, Leiterin des Suchthilfezentrums der Stadtmission Nürnberg. „Zum einen herrscht eine gewisse Handlungsangst bei den Pflegekräften. Schließlich sollen die Persönlichkeitsrechte der Bewohner respektiert werden. Zum anderen sehen auch Angehörige bei auffälligem Verhalten oft weg und sagen sich, der Betroffene ist halt so, weil er alt ist.“
Am Suchthilfezentrum stiegen die Anfragen von ambulanten und stationären Einrichtungen zum Umgang mit Suchterkrankten in den letzten Jahren immer weiter an. Das nahm Metzner zum Anlass, das Projekt SAM ins Leben zu rufen. SAM ist Ende 2016 mit einer Laufzeit von drei Jahren gestartet. Die Einrichtungen erhalten von der Stadtmission Coachings, um eine Leitlinie für ihr Haus zu entwickeln: Wie steht die Einrichtung als Ganzes zur Suchtproblematik? Wie können Risiken und Risikofälle wahrgenommen und dokumentiert werden? „Es geht um die Prozessgestaltung“, sagt Projektleiterin Beate Schwarz, ebenfalls ausgebildete Sozialpädagogin. „Die Einrichtung definiert für sich: So geht unser Dienst mit Suchtfällen um.“ Pflegekräfte werden im Anschluss an die Leitlinienarbeit zum konkreten Umgang mit den betreuten alten Menschen geschult: Wie verhalte ich mich? Wie kann ich den Konsum oder die Risiken ansprechen?
Auch eine Angehörigengruppe wurde ins Leben gerufen. Die Teilnehmenden erhalten Entlastung und Unterstützung in ihrer schwierigen Rolle als engste Bezugspersonen – und oftmals einzige Sozialkontakte der Betroffenen. Ihnen wird auch vermittelt, wie sie Verhaltensweisen umsetzen können, die sie selbst stärken. Eine ehrenamtliche Helferin, die früher selbst suchtkrank war, bringt zudem ihre Erfahrungen in die Gruppe ein.
Nicht über, sondern mit den Betroffenen zu entscheiden, müsse das Ziel sein, sagt Metzner. Sie sieht es als gesamtgesellschaftliche Aufgabe an, Sucht als Krankheit, als eine psychische Erkrankung zu sehen und davon wegzukommen, Betroffene mit Schuldzuschreibungen und Abwertung zu versehen. Denn mit einer Krankheit kann man umgehen, und sie ist behandelbar. „Es gibt allerdings keinen Umgang mit Sucht, ohne das Kind beim Namen zu nennen“, ergänzt Schwarz.
Kontakt: beate.schwarz@stadtmission-nuernberg.de
Text: Raffaele Nostitz
Quelle: „ersatzkasse magazin. spezial“, Oktober 2017, hrsg. v. vdek