Rund 1,2 Millionen Menschen in Deutschland sind von Schlaf- und Beruhigungsmitteln abhängig. Betroffen sind vor allem ältere Menschen, darunter zwei Drittel Frauen. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) startete gemeinsam mit der BARMER GEK und der Bundesärztekammer eine Kampagne, um Apotheker, Ärzte und Patienten stärker auf die Risiken von Benzodiazepinen aufmerksam zu machen. Bei vielen Menschen, die unter Schlafstörungen, Ängsten oder Spannungszuständen leiden, besteht der Wunsch nach einer medikamentösen Behandlung. Benzodiazepine (Wirkstoffe Lorazepam, Diazepam, Bromazepam etc.) oder auch verwandte Substanzen wie Zolpidem und Zopiclon sind bewährte Mittel, die kurzfristig Linderung verschaffen können. „Doch vielen Patienten und auch manchen Ärzten und Apothekern ist nicht bewusst, dass sich bereits nach vier- bis sechswöchiger Einnahme eine Abhängigkeit entwickeln kann“, berichtet Dr. Raphael Gaßmann, Geschäftsführer der DHS.
Die so genannte 4-K-Regel soll Patienten – aber auch Ärzte und Apotheker – dabei unterstützen, Schlaf- und Beruhigungsmittel richtig anzuwenden:
- Klare Indikation: Nehmen Sie das Medikament nur ein, wenn eine eindeutige medizinische Notwendigkeit besteht. Diese sollten Sie in einem Gespräch mit Ihrer Ärztin, Ihrem Arzt abklären und auch andere Behandlungsmöglichkeiten in Erwägung ziehen.
- Kleinste notwendige Dosis: Nehmen Sie nur so viel wie nötig ein – und unbedingt so wenig wie möglich. Besprechen Sie die kleinste notwendige Dosis mit Ihrer Ärztin, Ihrem Arzt.
- Kurze Anwendung: Nehmen Sie das Medikament nur überbrückend ein für kurze Zeit.
- Kein schlagartiges Absetzen: Hören Sie nicht einfach mit der Einnahme auf, sondern verringern Sie langsam die Dosis – mit ärztlicher Begleitung.
Die Patienten merken von einer Abhängigkeit zunächst kaum etwas, weil sie häufig mit einer Tablette am Tag auskommen und die Dosis nicht steigern müssen. Dieses Phänomen wird Niedrigdosisabhängigkeit genannt. Bei Absetzversuchen aber treten als Entzugserscheinungen die ursprünglichen Beschwerden verstärkt wieder auf – wie zum Bespiel Schlafstörungen oder Angstattacken – und die Patienten nehmen das Medikament weiterhin ein. Es besteht die Gefahr, dass durch die Dauereinnahme ihr Gefühlsleben verarmt, bis hin zur Abstumpfung. Die Betroffenen fühlen sich abgeschlagen und haben keine Energie.
Schlaf- und Beruhigungsmittel können in einer akuten Krise nützlich sein, lösen aber nicht die Ursache der Probleme. „Das können nur die Patienten selber, indem sie ihr Leben bewusst verändern“, sagt Suchtexperte Gaßmann. „Ehe- und Schuldnerberatung, familiäre Entlastung und das bewusste Setzen von Grenzen im Beruf helfen dabei ebenso wie Stressbewältigung und Entspannungstechniken.“ Eine Psychotherapie kann ebenfalls dazu beitragen, Auslösern und Ursachen der Beschwerden auf die Spur zu kommen.
Die DHS hat zusammen mit der BARMER GEK ein Informationsblatt für Patienten erarbeitet. Weitere Informationen zur diesem Thema finden Sie hier. Auf www.suchthilfeverzeichnis.de finden sich auch die Adressen der bundesweit über 1.400 Beratungsstellen und 800 Suchthilfeeinrichtungen.
DHS, 08.12.2014