Auf dem Weg in eine andere Republik?
Weinheim: Beltz Juventa 2014, 290 S., ISBN 978-3-7799-3234-5, EUR 16,95
„Hartz IV“ ist europaweit die berühmteste Chiffre für den Abbau sozialer Leistungen und gilt hierzulande als tiefste Zäsur in der Wohlfahrtsstaatsentwicklung nach 1945: Zum ersten Mal wurde damit eine für Millionen Menschen in Deutschland existenziell wichtige Lohnersatzleistung, die Arbeitslosenhilfe, faktisch abgeschafft und durch eine bloße Fürsorgeleistung, das Arbeitslosengeld II, ersetzt. Durch Hartz IV ist Deutschland zu einer anderen Republik geworden.
Zehn Jahre nach der Einführung zieht Christoph Butterwegge eine umfassende Bilanz. In seinem Buch untermauert Deutschlands bekanntester Armutsforscher mit aktuellen Studien, was man gesellschaftlich spürt: eine größere Disziplinierung der Bevölkerung, die Prekarisierung der unteren Mittelschicht, das Phänomen, trotz Arbeit nicht genug Geld zum Leben zu haben, die Tatsache, dass Frauen die besonderen Leidtragenden der Reform sind, zumindest wenn es sich um alleinerziehende Mütter handelt. Spannend ist auch das Kapitel über die Rolle der Medien bei der Einführung der Reform. Ohne die Rede von „Sozialschmarotzern“ und der Notwendigkeit eines Rucks, der durch das Land gehen solle, wäre Hartz IV kaum so schnell politisch durchzusetzen gewesen.
Der Autor beschreibt die Grundlagen der Arbeitsmarktreform, ihre Entstehungsgeschichte und Einbettung in die Agenda 2010, die individuellen und gesellschaftlichen Auswirkungen von Hartz IV und ruft Leserinnen und Leser dazu auf, sich gegen einen weiteren Abbau des Sozialstaats zu stellen.