Wissenschaftskommunikation am Beispiel des Podcasts „Psychoaktiv“
Die mediale Aufbereitung des Konsums psychoaktiver Substanzen prägt für einen Großteil der Allgemeinbevölkerung das Bild von konsumierenden Menschen und Sucht. Vor allem der Konsum illegalisierter Substanzen wird häufig in Verbindung mit Kriminalität, sozialen Schwierigkeiten und gesundheitlichen Problemen dargestellt (Hughes et al. 2011) und trägt somit einen beachtlichen Teil zur Stigmatisierung konsumierender Menschen bei.
Um dem Stigmatisierungsprozess entgegenzuwirken, können auf der einen Seite Journalist:innen mit Fachwissen, das durch Interviews oder Hintergrundgespräche vermittelt wird, bei ihrer Recherche unterstützt werden. Auf der anderen Seite hat die professionelle Suchthilfe die Möglichkeit, selbst mit attraktiven und zielgruppengerechten Angeboten die breite Aufklärung in die Hand zu nehmen und somit vollständig den Einfluss auf die Inhalte zu behalten. Um möglichst viele Menschen zu erreichen, eignen sich hier vor allem digitale Angebote. Allerdings bringt die digitale Aufklärungsarbeit über psychoaktive Substanzen einige Hürden mit sich, die berücksichtigt werden müssen. In diesem Artikel werden diese Herausforderungen beleuchtet und praxisnahe Einblicke anhand des Psychoaktiv-Podcasts gegeben.
Das bietet der Psychoaktiv-Podcast
Der Psychoaktiv-Podcast wird seit 2020 von der Suchttherapeutin und Sozialarbeiterin Stefanie Bötsch produziert. In Substanzkundefolgen werden unterschiedliche psychoaktive Substanzen porträtiert, während in den anderen Folgen Themen aus den Bereichen Substanzgebrauchsstörung, Drogenpolitik, Safer Use oder Suchttherapie behandelt werden. Regelmäßig sind auch Expert:innen aus Forschung und Praxis zu Gast und berichten über ihr jeweiliges Fachgebiet. Ziel des Podcasts ist es, nicht nur wissenschaftsbasierte Inhalte rund um psychoaktive Substanzen einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, sondern auch die professionelle Suchthilfe nahbarer zu machen, um Menschen den Weg in die Suchtberatung bei Bedarf zu erleichtern.
Der Podcast erreicht aktuell ca. 100.000 Menschen im Monat. Die Zuhörerschaft besteht sowohl aus Konsumierenden und Angehörigen als auch aus Fachpersonal. Begleitend werden Beiträge auf Social Media (Instagram und TikTok) erstellt.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von open.spotify.com zu laden.
Digitale Angebote nicht nur für Jugendliche!
Wenn in der Suchthilfe ein Angebot geplant wird, ist eine der ersten Fragen, welche Zielgruppe man überhaupt erreichen möchte. Vor allem bei digitalen Angeboten stehen häufig Jugendliche und junge Erwachsene im Fokus. Für die Plattform TikTok ergibt das sicherlich Sinn. Bei der ARD/ZDF-Onlinestudie aus dem Jahr 2023 gaben 41 Prozent der 14- bis 29-Jährigen an, TikTok mindestens einmal pro Woche zu nutzen, während nur noch 18 Prozent der 30- bis 49-Jährigen TikTok wöchentlich nutzen. Auf Instagram sind jedoch auch Altersgruppen über 30 häufiger vertreten. Zwar sind die Jungen die größte Gruppe, 79 Prozent der 18- bis 29-Jährigen nutzen die Plattform wöchentlich, aber auch 46 Prozent der 30- bis 49-Jährigen sind mindestens ein Mal die Woche auf Instagram aktiv (Koch, 2023).
Vor allem bei Podcasts lohnt sich die Überlegung, bewusst auch eine ältere Zielgruppe anzusprechen. 45,9 Prozent der 14- bis 29-Jährigen hören Podcasts und sind damit auch hier die Altersgruppe, die am stärksten vertreten ist. Allerdings zeigt die Studie „Online-Audio-Monitor (OAM) 2023“ bei dieser Altersgruppe einen absteigenden Trend, während bei den Altersgruppen 30 bis 49 Jahre und 50+ seit 2021 eine steigende Tendenz zu beobachten ist, wie in Abbildung 1 zu sehen ist (mindline media GmbH, 2023).
Auch in der Altersverteilung der Hörer des Psychoaktiv-Podcasts lässt sich erkennen, dass über die Hälfte zwischen 35 und 54 Jahre alt ist. Den geringsten Anteil machen die 18- bis 24-Jährigen und die Altersgruppe über 65 Jahren aus (s. Abb. 2). Jetzt könnte sich die Annahme aufdrängen, dass dies daraus resultiert, dass der Podcast auch vermehrt von Fachpersonal gehört wird. Es ist zwar nicht möglich, diese Annahme komplett zu widerlegen, anhand von privaten Rückmeldungen aus der Zuhörerschaft wird jedoch deutlich, dass die stark vertretene Altersgruppe 35 bis 54 Jahre auf jeden Fall nicht nur von Fachpersonal ausgefüllt wird.
Hürden bei der digitalen Wissenschaftskommunikation
Bei Aufklärungsarbeit zu psychoaktiven Substanzen und Sucht auf Instagram, TikTok oder auch YouTube kommt es häufig zu dem Problem, dass diese Plattformen Beiträge zu diesen Themen entweder in ihrer Reichweite drosseln oder entfernen. Ferner, und für die klassische Aufklärungsarbeit nicht ganz so wichtig, können diese Themen auch von Monetarisierungsprogrammen ausgeschlossen werden. Aus diesem Vorgehen der Plattformen ziehen die Creators (die Ersteller:innen der Inhalte) unterschiedliche Konsequenzen. Um die Themen trotzdem ansprechen zu können, werden entweder andere Begriffe verwendet (sehr bekanntes Beispiel ist der Begriff „Brokkoli“ anstatt Cannabis) oder drogenspezifische Stichworte z. B. durch einen Piep-Ton ersetzt. So wird es für Algorithmen schwieriger, die Inhalte zu erkennen, und die Inhalte können sich verbreiten.
Ein Beispiel aus der Praxis: Auf der TikTok-Seite des Psychoaktiv-Podcasts werden seit acht Wochen Kurzvideos erstellt. In dieser Zeit werden drei Videos von TikTok gesperrt, und der Kanal wird mit Warnungen versehen (ab zwei Warnungen wird das komplette Profil gelöscht). Weitere zwei Videos werden von der Reichweite her erheblich gedrosselt. Auf Widerspruch der Produzentin werden all diese Maßnahmen zurückgenommen, und eine Löschung des Kontos kann verhindert werden. TikTok zeigt sich zumindest sehr transparent dahingehend, welche Konsequenzen bei Verstoß gegen die Community Richtlinien angewendet werden, und bietet eine niedrigschwellige Möglichkeit des Widerspruchs. Trotz des aktiven Vorgehens von Seiten TikToks gegen den Inhalt auf der Psychoaktiv-Seite haben einige Videos eine hohe bis virale Reichweite erreicht.
An dieser Stelle zeigt sich der große Vorteil von Podcasts, wenn es um die Wissenschaftskommunikation rund um psychoaktive Substanzen geht. Podcasts werden über einen RSS-Link auf unterschiedliche Podcast-Plattformen verteilt. Die Macht einzelner Plattformen ist dadurch deutlich reduziert, da diese bei Podcasts keine Monopolstellung einnehmen. Zwar nutzen die unterschiedlichen Plattformen auch Algorithmen, z. B., um ihre Charts zu generieren, doch es scheint, dass inhaltliche Einschränkungen nur sehr begrenzt angewendet werden. Auf Anfrage von Seiten des Psychoaktiv-Podcasts bei Spotify gibt die Plattform an, keine inhaltsbezogene Reichweitendrosselung vorzunehmen.
Chancen und Risiken einer digitalen Community
Wenn ein Podcast, ein Instagram- oder TikTok-Account oder ein YouTube-Kanal wächst, steigt in der Regel auch die Interaktion mit den Nutzer:innen. Dann bietet es sich an, eine Brücke zu einem professionellen Hilfeangebot zu bauen, seien es digitale Kurzinterventionen, Motivationsarbeit, Onlineberatung oder Ähnliches. Auch kann es sein, dass die Community anfängt, sich untereinander zu unterstützen, und somit eine digitale Selbsthilfe rund um das Format entsteht.
Die Kehrseite der Medaille kann jedoch darin bestehen, dass es zu konsum- und drogenverherrlichendem Verhalten, Werbung für den Kauf illegalisierter Substanzen oder abwertenden Kommentaren gegenüber konsumierenden Menschen kommen kann. Vor allem, wenn ein Beitrag viral geht, kann es in kurzer Zeit zu einer hohen Anzahl an Kommentaren kommen, die kontrolliert und sortiert werden müssen. Für ein erfolgreiches Community-Management gilt es dementsprechend, vorab zu planen, wie mit unterschiedlichen Situationen umgegangen werden kann und welche eigenen Community-Regeln man bei den Kommentaren anwenden möchte.
Da Podcasts auf zahlreichen Plattformen publiziert werden und Interaktionsmöglichkeiten nur eingeschränkt und auch nicht auf jeder Plattform vorhanden sind, verschiebt sich die Interaktion mit der Zuhörerschaft in der Regel auf andere begleitende Plattformen wie z. B. Instagram. Dies erschwert es, mit dem Endkonsumenten/der Endkonsumentin in Kontakt zu treten, und kann eine Hürde für die Bildung einer interaktiven Community darstellen. Allerdings sind dann auch die Risiken deutlich geringer.
Fazit
Digitale Aufklärungsarbeit birgt viele Chancen – sei es die Reduktion von Stigmatisierung, die Werbung für die Suchthilfe oder die Möglichkeit, für unterschiedliche Altersgruppe passende Formate zu entwickeln. Trotz allem braucht vor allem die Aufklärung zu psychoaktiven Substanzen viel Fingerspitzengefühl, um gegen Algorithmen anzukommen, die darauf abzielen, Inhalte, die vermeintlich gegen Community-Richtlinien verstoßen, abzustrafen.
Kontakt und Angaben zur Autorin:
Stefanie Bötsch
M.A. Suchttherapie und Sozialmanagement
Produzentin des Podcasts „Psychoaktiv“
Stefanie Bötsch | Der Podcast für Suchtprävention
info@stefanieboetsch.de
Quellen:
- Hughes, C. E., Lancaster, K., & Spicer, B. (2011). How do Australian news media depict illicit drug issues? An analysis of print media reporting across and between illicit drugs, 2003–2008. International Journal of Drug Policy, 22(4), 285–291. https://doi.org/10.1016/j.drugpo.2011.05.008
- Koch, W. (2023). Soziale Medien werden 30 Minuten am Tag genutzt – Instagram ist die Plattform Nummer eins. Media Perspektiven, 26/23.
- mindline media GmbH (2023). Online-Audio-Monitor (OAM) 2023. https://www.online-audio-monitor.de/wp-content/uploads/Bericht-OAM_2023.pdf