10. Alternativer Drogen- und Suchtbericht veröffentlicht
Wer darf was und wie viel konsumieren? Das Gesetzesvorhaben der Ampelkoalition zur Cannabis-Legalisierung liegt derzeit dem Bundestag vor. Aus diesem Anlass behandelt der 10. Alternative Drogen- und Suchtbericht (ADSB) Aspekte der Cannabis-Regulierung als einen seiner Schwerpunkte. Im Bericht, der am 23. November 2023 in Berlin vorgestellt wurde, kommen Stimmen aus der Suchtprävention, -hilfe und -forschung zu Wort, darunter Expert:innen der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS).
Der Alternative Drogen- und Suchtbericht wird jährlich vom Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik akzept e. V. herausgegeben. „Wir wollen damit Unzulänglichkeiten der nationalen Drogenpolitik aufzeigen und neue, evidenzbasierte Wege einer notwendigen Weiterentwicklung beschreiben“, so Prof. Dr. Heino Stöver, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Suchtforschung Frankfurt (ISFF) an der Frankfurt University of Applied Sciences und Vorsitzender von akzept. Er verantwortet mit Dr. Bernd Werse vom Centre for Drug Research der Goethe-Universität Frankfurt und Larissa Hornig, Doktorandin am ISFF, redaktionell den diesjährigen Alternativen Drogen- und Suchtbericht.
Darin bewertet etwa Dr. Ingo Iljas Michels vom ISFF das geplante Gesetz zur Legalisierung von Cannabis zwar als „großen Schritt in Richtung einer rationalen Drogenpolitik“. Mit seinen Co-Autoren Maximilian Plenert, Geschäftsführer des Kompetenzzentrums Cannabis GmbH, und Politik- und Gesundheitswissenschaftler Rüdiger Schmolke (akzept e. V.) bemängelt er aber unter anderem die restriktive Auslegung des Drogenrechts und die hohen bürokratischen Hürden. Der Suchtforscher Dr. Bernd Werse stellt in einem Beitrag den derzeit unregulierten Zugang zum halbsynthetischen Cannabinoid HHC heraus. Statt eines Verbots der ganzen Stoffgruppe sieht er mit seinem Co-Autor die Legalisierung von konventionellem Cannabis als „das beste Instrument, um dem unregulierten HHC-Markt zu begegnen“.
Mit Blick auf die Steuerung von Konsum diskutiert der Bericht auch vielfältige Aspekte des Harm Reduction-Ansatzes, dessen Umsetzung die Ampelkoalition in ihrem Koalitionsvertrag vorsieht. Gemeint sind Maßnahmen, die auf die Reduzierung von Gesundheitsrisiken für Konsument:innen abzielen statt auf einen kompletten Verzicht. Den mangelnden Einsatz solcher Maßnahmen thematisieren die Autor:innen unter anderem in Beiträgen zur Alkoholprävention und der Rolle der E-Zigarette zur Rauchentwöhnung. Mit Blick auf das Rauchen bilanziert der Frankfurter Suchtforscher Stöver: „Schadensminimierende Strategien, die im Ausland erfolgreich sind, werden in Deutschland völlig ignoriert, und so werden Verbraucher:innen nicht über weniger gesundheitsschädliche Formen der Nikotinaufnahme aufgeklärt.“ Regulierungsbedarf sehen die Autor:innen bei Einweg-E-Zigaretten; diese dürfen bisher kinder- und jugendaffin beworben werden. Der Bericht enthält zudem Empfehlungen für ein flächendeckendes Drug-Checking-Angebot und Maßnahmen für bisher vernachlässigte Gruppen, die illegale Substanzen konsumieren.
Vor dem Hintergrund von nunmehr zehn veröffentlichten Ausgaben des Alternativen Drogen- und Suchtberichts bilanziert Herausgeber Stöver insgesamt zwar einen Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik und die Umsetzung einiger Anliegen. Er kritisiert aber: „Die willkürliche Einteilung in legale und illegale Substanzen hemmt die Suchtarbeit.“ Auch hochwirksame Methoden zur Reduzierung von Gesundheitsrisiken bei Substanzkonsum kämen noch zu wenig zur Anwendung.
Der 10. Alternative Drogen- und Suchtbericht steht hier als PDF zur Verfügung: www.alternativer-drogenbericht.de. Der Bericht ist als Buch im Verlag Pabst Science Publishers erschienen.
Pressestelle der Frankfurt University of Applied Sciences, 24.11.2023