XXL-Statement aus einem Therapie-Workshop
Am Rand von Vielbach im Westerwald findet sich, eingebettet in einen alten Eichenwald, ein historischer Gebäudekomplex. Ein unauffälliges Schild informiert am Eingangstor darüber, dass es sich hier um das „Fachkrankenhaus Vielbach“ handelt. Wer oder was hier behandelt wird, erfährt man nicht.
Bewohner der angrenzenden Gemeinde sprechen vom „Trockendock“, der „Entzugsklinik“, ältere Anwohner von der „Trinkerheilanstalt“. Was die dort Behandelten über Sinn und Zweck ihres Aufenthaltes denken, wollte vor einiger Zeit eine klinikinternen Befragung herausfinden. Die Auswertung der Rückmeldungen erbrachte unter anderem eine Sammlung negativ assoziierter Begriffe, die vor allem die entbehrungsreiche Seite einer Entwöhnungsbehandlung betonen: Abstinenz, Verzicht, Askese, Nein-Sagen-Müssen und mehr. Ein „ernüchterndes“ Ergebnis.
Aus diesem Grund lud Klinikleiter Joachim J. Jösch die Rehabilitanden (in Vielbach werden nur Männer behandelt) zu einem Therapie-Workshop ein. Hier überlegten die Teilnehmer, wie ein für die Sucht-Rehabilitation ganz wichtiges Anliegen, nämlich die Befreiung von der Abhängigkeit, nach innen und außen besser kommuniziert bzw. dargestellt werden könnte.
Die kollektive Erkenntnis lautete: „Freiheit beginnt da, wo die Sucht endet!“ Freiheit als zentrales Therapieziel sollte deshalb vor der Klinik deutlich sichtbar gemacht werden. Ermutigt und gefördert vom Klinikleiter beschlossen die Rehabilitanden, diesem Statement eine Form zu geben und diese vor der Klinik zu platzieren. In einer Kooperation von Kunst- und Arbeitstherapie sollten sie den Auftrag therapeutisch vorbereiten und anschließend umsetzen.
In der Klinik-Schlosserei stellten die Männer, begleitet von ihrem Arbeitstherapeuten, acht zwei Meter hohe Metall-Buchstaben her. Im Frühjahr 2020 sollte mit diesen Lettern eine sogenannte Schrift-Skulptur vor der Klinik installiert werden.
Doch dann kam Corona. Mit den bekannten, zuvor unvorstellbar großen Einschränkungen der (Bewegungs-)Freiheit einschließlich „Lockdown“ und vielen anderen Disziplinierungen für die Rehabilitanden. Die Installation wurde verschoben. Die Beteiligten glaubten fest daran, das Kunst-Projekt noch 2020 vollenden zu können.
Es sollte dann erheblich länger dauern. Aber im Spätsommer 2023 war es soweit: FREIHEIT konnte vor der Klinik errichtet werden. Zur Einweihung kamen auch etliche der Männer, die 2020 an der Entstehung mitgewirkt hatten. Sie sind, ebenso wie die jetzt bei der Montage beteiligten Rehabilitanden, mächtig stolz, an diesem für viel Aufmerksamkeit sorgenden Therapie-Projekt beteiligt gewesen zu sein.
Das prächtige Vielbacher Klinik-Hauptgebäude war schon immer ein beliebtes Fotomotiv. Das wird, zusammen mit der FREIHEIT, nun zu Recht noch einmal getoppt.
Joachim J. Jösch, Leiter des Sucht-Hilfe-Zentrums Vielbach, 14.9.2023