Prof. Dr. Derik Hermann, Dr. Dirk Kratz

Cannabislegalisierung in Kanada seit 2018

Dr. Dirk Kratz

Prof. Dr. Derik Hermann

In Kanada wurde am 17. Oktober 2018 Cannabis legalisiert, dabei orientierte sich die Gesetzgebung am Jugend- und Gesundheitsschutz. Jetzt besteht die Gelegenheit, Daten und Erfahrungen aus den ersten drei Jahren der Cannabislegalisierung in Kanada zu analysieren und Schlüsse für den legalen und kontrollierten Verkauf von Cannabis in Deutschland zu ziehen. Die Umsetzung in Kanada kann als Modellprojekt angesehen werden, das dabei hilft, realistische Vorstellungen von den Folgen einer Cannabislegalisierung zu entwickeln.

Steigt der Cannabiskonsum? Wenn ja, in welchen Bevölkerungsgruppen? Geht der Schwarzmarkt zurück oder weicht er auf andere kriminelle Bereiche aus? Reduziert sich die Arbeitsbelastung von Polizei und Gerichten? Steigt die Behandlungsnachfrage wegen einer Cannabisabhängigkeit oder Psychosen? Reduziert sich der Alkoholkonsum, weil viele auf Cannabis umsteigen? Ändert sich die Partykultur? Fühlen sich Bürger:innen von öffentlichem Cannabiskonsum belästigt? – Diese Fragen können auch nach drei Jahren Erfahrung in Kanada nicht abschließend beantwortet werden. Dennoch bietet sich die Möglichkeit, Trends abzulesen und unerwartete Effekte der kanadischen Cannabislegalisierung für die Umsetzung in Deutschland zu berücksichtigen.

Das kanadische Cannabisgesetz 2018 (Cannabis Act Canada)

Als Ziele der Legalisierung von Cannabis werden im kanadischen Cannabisgesetz (cannabis act) Jugendschutz, Reduktion illegaler Aktivitäten, Entlastung des Rechtssystems, eine qualitätsgesicherte Versorgung mit Cannabis und eine verbesserte Wahrnehmung der Gesundheitsrisiken von Cannabis genannt. Seit dem 17. Oktober 2018 dürfen in Kanada Personen über 18 Jahre bis 30 Gramm getrocknetes Cannabis besitzen und mit anderen Erwachsene teilen (weitergeben), aber nicht verkaufen. Bis zu vier Cannabispflanzen je Haushalt (nicht pro Person) sind im privaten Raum erlaubt, dürfen aber nur an andere Personen weitergegeben werden, solange sie nicht blühen. Cannabis aus illegalen Quellen bleibt verboten. Der Besitz und die Weitergabe von mehr als fünf Gramm getrocknetem Cannabis stellt für Jugendliche im Alter von zwölf bis 18 Jahren eine Straftat dar mit höheren Strafen als vor dem Cannabisgesetz.

Cannabis darf in legalen Fachgeschäften an Erwachsene verkauft werden. Das Alter muss kontrolliert werden. Die Versorgung mit Cannabis erfolgt über staatliche Lizenzen zur Produktion und zum Verkauf in Fachgeschäften. Für die Cannabis-Fachgeschäfte wurden enge Regeln definiert bzgl. Verpackung und Auszeichnung, z. B. darf Cannabis nicht attraktiv für Minderjährige verpackt sein, es darf nicht mit anderen Substanzen vermischt werden, Selbstbedienung ist verboten, und es besteht eine Informationspflicht gegenüber Bürger:innen und Behörden.

Da Kanada bereits 2001 Cannabis als Arzneimittel legalisiert hat, bestand zum Start der Legalisierung zum Freizeitgebrauch eine ausreichende Produktions-Infrastruktur mit mehr als 60 Firmen, die Cannabis anbauen. Lizenzen für Cannabis-Fachgeschäfte werden verweigert, wenn dadurch das Risiko entsteht, die öffentliche Gesundheit (public health) oder die öffentliche Sicherheit zu gefährden oder dass Cannabis in illegale Kanäle geleitet wird. Lizenzen werden auch nicht vergeben an Ausländer, Jugendliche oder Personen, bei denen bestimmte Gesetzesverstöße in den letzten zehn Jahren vorlagen.

Meist darf Cannabis dort konsumiert werden, wo auch Tabakrauchen erlaubt ist. Allerdings haben sechs der 13 kanadischen Provinzen den Cannabiskonsum nur im privaten Raum erlaubt. Alles, was den illegalen Anbau oder Verkauf von Cannabis ermöglicht, ist verboten. Bei Verstößen gegen das kanadische Cannabisgesetz drohen bis zu 14 Jahre Haft. Werbung für Cannabis ist weitgehend verboten, das Verbot beinhaltet auch ausländische Medien und Sponsoring, z. B. Werbung auf Sporttrikots, kostenlose Cannabisproben oder Cannabis als Gewinn bei Spielen oder Verlosungen. Nur Personen, die eine Lizenz zum Anbau oder Verkauf von Cannabis besitzen, dürfen Informationen weitergeben und markenbezogene Werbung machen, sofern sichergestellt ist, dass unter 18-Jährige dadurch nicht erreicht werden. Falsche oder missverständliche Informationen dürfen nicht gegeben werden. Darstellungen bzgl. Cannabis in Kunst, Musik, Filmen, Literatur und zu pädagogischen und wissenschaftlichen Zwecken sind jedoch erlaubt.

Das kanadische Cannabisgesetz sieht Bußgelder von 200 Dollar für geringfügige Verstöße vor (Besitz von 30 bis 50 Gramm getrocknetem Cannabis oder fünf bis sechs Cannabispflanzen). Es soll ein tracking system etabliert werden, um zu verhindern, dass legal produziertes Cannabis in den Schwarzmarkt gelangt oder illegales Cannabis in legalen Cannabis-Fachgeschäften verkauft wird. Zur Überwachung des Cannabisgesetzes werde Inspektor:innen eingesetzt. Weitere Details wie Öffnungszeiten der Cannabis-Fachgeschäfte, ein lizensierter Online-Verkauf oder ein Verbot von Cannabiskonsum an bestimmten öffentlichen Orten können die kanadischen Provinzen selbst regeln.

Erfahrungen aus Kanada

Nach der Legalisierung war legales Cannabis nicht ab dem ersten Tag überall verfügbar.

Im ersten Monat betrug der Anteil des legalen Cannabis nur 7,8 Prozent der geschätzten Verkaufsmenge (Armstrong 2021). Dieser Anteil stieg innerhalb eines Jahres auf 23,7 Prozent und bis 2021 auf 72 Prozent. Davon wurden 53 Prozent in Cannabis-Fachgeschäften, elf Prozent in Onlineshops und acht Prozent über einen Selbstanbau umgesetzt (Canadian Cannabis Survey).

In den ersten sieben Monaten der Legalisierung blieb die verkaufte Menge Cannabis mit Einnahmen von 524 Millionen Kanadische Dollars (CAD) deutlich hinter den Erwartungen von CAD 4,34 Milliarden zurück. Die Gründe waren die geringe Anzahl an Verkaufsstellen und höhere Preise im Vergleich zum Schwarzmarkt.

Der unerwartet niedrige Anteil von legalem Cannabis machte deutlich, dass Cannabiskonsument:innen nicht zu jeder Bedingung von illegalem Cannabis auf legales Cannabis umsteigen. In Kanada hatten sich über Jahrzehnte ein blühender Schwarzmarkt und ausgeprägte Versorgungsstrukturen für medizinisches Cannabis etabliert. Die Versorgungsstrukturen waren schlecht kontrolliert und wurden auch oft zur Abgabe von Cannabis ohne medizinische Indikation genutzt (Fischer 2017). Zugleich erleichterte die Existenz von mehr als 60 Unternehmen, die medizinisches Cannabis produzieren, eine schnelle Versorgung mit Cannabis für den Freizeitgebrauch (Fischer 2017). Im Canadian Cannabis Survey wurden Preis, Versorgungssicherheit und Qualität als wichtigste Faktoren dafür identifiziert, aus welcher Quelle Cannabis bezogen wird. Nur fünf bis zehn Prozent der Konsumenten gaben an, dass die Legalität zu den wichtigsten drei Gründen zählt, wo sie Cannabis kaufen.

Innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Legalisierung eröffneten 1.183 Cannabis-Shops in Kanada, das entspricht 3,7 Cannabis-Shops pro 100.000 Einwohner:innen >15 Jahre (Myran et al. 2022). In kanadischen Bundesländern, die neben staatlichen auch privatwirtschaftliche Cannabis-Shops zuließen, wurden mehr Cannabis-Shops eröffnet (4,8 versus 1,0 pro 100.000 Einwohner:innen) mit längeren Öffnungszeiten (80 versus 69 Stunden pro Woche).

Der Canadian Cannabis Survey erhebt seit 2017 jährlich Daten zu Themen rund um Cannabis.

Der Anteil der Personen, die im letzten Jahr Cannabis konsumiert haben, erhöhte sich von 22 Prozent im Jahr 2018 auf 27 Prozent im Jahr 2020 und hat sich im Jahr 2021 auf 25 Prozent verringert. Dieser Wert beinhaltet auch Probierkonsument:innen, die nur einmal im letzten Jahr Cannabis konsumiert haben. In den letzten 30 Tagen hatten 2018 15 Prozent der Befragten Cannabis konsumiert und 2021 17 Prozent. Täglichen oder fast täglichen Konsum gab etwa ein Viertel der Konsument:innen an, die im letzten Jahr Cannabis konsumiert haben, also etwa 6,3 Prozent der Bevölkerung. Dieser Wert blieb von 2018 bis 2021 weitgehend unverändert, weil unter den neuen Konsument:innen viele Probierkonsument:innen waren, die nur selten Cannabis konsumieren.

Der Cannabiskonsum von Schüler:innen der 7. bis 12. Klasse hat sich im Jahr nach der Legalisierung nicht erhöht (18 Prozent mit Konsum im letzten Jahr; Canadian Student Tobacco Alcohol and Drug Use Survey). Ein systematisches Review und Metaanalyse von acht Studien zur Cannabislegalisierung international (nicht nur Kanada) ergab eine geringe Erhöhung des Konsums von Jugendlichen und jungen Erwachsenen um drei Prozentpunkte (standardised mean difference von 0.03, 95% CI −0.01 bis 0.07; Melchior et al. 2019).

Charakteristika des legalen Cannabiskonsums seit 2018

Cannabis wurde häufiger konsumiert, wenn die körperliche Gesundheit als schlecht oder sehr schlecht eingeschätzt wurde, in dieser Gruppe gaben 30 Prozent Konsum im letzten Jahr an. Noch mehr Personen konsumierten Cannabis, wenn die psychische Gesundheit als schlecht (44 Prozent) oder sehr schlecht (51 Prozent) eingeschätzt wurde. Cannabis wurde also häufig zur Selbstbehandlung von körperlichen oder psychischen Beschwerden eingesetzt.

Das Alter beim ersten Cannabiskonsum erhöhte sich von 18,9 Jahren 2018 auf 20,4 Jahre 2021. Durchschnittlich wurden 2021 1,1 Gramm Cannabis pro Konsumtag konsumiert. Der Preis betrug CAD 9,78 (ca. € 7) pro Gramm getrockneter Cannabisblüten. Nur 16 Prozent der Personen mit Cannabiskonsum im letzten Jahr konsumierten Cannabis immer mit Tabak, und 69 Prozent gaben an, dies nie zu tun. Etwa 3,75 Prozent der Bevölkerung (15 Prozent derer mit Konsum im letzten Jahr) bauten 2021 durchschnittlich 3,6 Cannabispflanzen an. Das gesundheitsschädliche Rauchen von Cannabis reduzierte sich von 89 Prozent der Konsumenten 2018 auf 74 Prozent 2021, parallel dazu wurde Cannabis häufiger gegessen oder getrunken (von 43 Prozent 2018 auf 57 Prozent 2021). Verdampfen (vaping) blieb unverändert bei 33 Prozent.

Informationskampagnen erhöhen den Kenntnisstand zu Risiken.

Ein Ziel der Legalisierung war, den Informationsstand der Bevölkerung über spezifische Risiken zu erhöhen. Hierfür wurden verschiedene Kampagnen in unterschiedliche Medien geschaltet. 76 Prozent der Bevölkerung schätzten 2021 Cannabis als schädlich ein, 65 Prozent stimmten zu, dass (fast) täglicher Konsum das Risiko für psychische Erkrankungen erhöht, und 82 Prozent stimmten zu, dass Teenager ein höheres Risiko für Schäden haben als Erwachsene.

Die Einschätzung unter Cannabiskonsument:innen, dass das Rauchen von Cannabis mit einem mittleren bis hohen Risiko verbunden ist, erhöhte sich von 40 Prozent 2018 auf 50 Prozent 2021, die Zustimmung zu einem mit dem Essen von Cannabis verbundenen Risiko erhöhte sich von 34 Prozent auf 40 Prozent und zu einem mit Dampfen (vaping) verbundenen Risiko von 38 Prozent auf 55 Prozent. Die Einschätzung von Cannabiskonsument:innen, dass Cannabiskonsum die Verkehrstüchtigkeit einschränkt, erhöhte sich von 61 Prozent 2018 auf 78 Prozent 2021. Autofahren unter Cannabiseinfluss reduzierte sich von 27 Prozent 2018 auf 16 Prozent 2021. Als Beifahrer:innen fuhren 2018 noch 13 Prozent bei Personen mit, die kürzlich Cannabis konsumiert haben. 2021 gaben dies nur noch sieben Prozent an.

In der Bevölkerung stimmten 87 Prozent zu, dass während Schwangerschaft und Stillzeit kein Cannabis konsumiert werden sollte, unter den Cannabiskonsumenten stimmten 83 Prozent zu. Während einer beruflichen Tätigkeit unter akutem Cannabiseinfluss zu stehen, ist mit einer schlechteren Leistung und einer erhöhten Unfallgefahr verbunden. Nur ein Prozent der Bevölkerung gab an, mindestens einmal wöchentlich Cannabis vor der Arbeit zu konsumieren. Bei Schüler:innen und Studierenden gaben 1,75 Prozent an, mindestens einmal wöchentlich vor dem Schul- bzw. Universitätsbesuch Cannabis zu konsumieren.

Diese Zahlen zeigen den Erfolg der Informationskampagnen zu Cannabis. In den ersten drei Jahren nach der Cannabislegalisierung wurde eine deutliche Zunahme des Wissens über die Risiken von Cannabis erreicht, und das Verhalten wurde entsprechend angepasst. Dieser Erfolg ist beachtlich und motiviert zur Fortsetzung der Informationskampagnen.

Die Cannabiskonsument:innen selbst sahen ihren Konsum unproblematischer als Nichtkonsument:innen und stuften die Risiken etwas geringer ein. Nur drei bis zehn Prozent der Cannabiskonsument:innen gaben die Selbsteinschätzung ab, dass Cannabis ihre Gesundheit, das soziale Leben, Partnerschaft, Lebensqualität oder Leistungsfähigkeit im Beruf beeinträchtige. 42 bis 80 Prozent sahen keinen Einfluss von Cannabis auf diese Lebensbereiche. Etwa die Hälfte gab an, dass Cannabis ihre psychische Gesundheit und Lebensqualität verbessere. Nur zwei Prozent der Konsument:innen benötigten irgendwann professionelle Hilfe wegen ihres Cannabiskonsums.

Die Akzeptanz in der Bevölkerung von regelmäßigem Konsum war für Alkohol am höchsten (62 Prozent), gefolgt von Cannabis (49 Prozent) und dem niedrigsten Wert für Tabak (35 Prozent). Dass regelmäßiger Konsum mit einem Risiko verbunden ist, gaben in der Bevölkerung 75 Prozent für Alkohol an, 95 Prozent gaben dies für Tabakrauchen und 73 Prozent für das Rauchen von Cannabis an. Cannabiskonsument:innen schätzen die Risiken von Alkohol und Tabak ähnlich ein, aber nur 50 Prozent sahen ein Risiko für Cannabis.

Diskussion: Was können wir aus den Erfahrungen mit der Cannabislegalisierung in Kanada lernen?

Verfügbarkeit und Preisgestaltung

Der Umstieg vom Schwarzmarkt auf legale Cannabis-Fachgeschäfte verlief nur schleppend. Die Konsument:innen blieben anfangs Kund:innen bei ihren Dealer:innen. Drei Jahre nach der Legalisierung besorgen sich immer noch 28 Prozent ihr Cannabis aus illegalen Quellen. Preis, Versorgungssicherheit und Qualität wurden als wichtigste Faktoren dafür identifiziert, aus welcher Quelle Cannabis bezogen wird. Die Legalität spielt nur eine untergeordnete Rolle. In Deutschland sollte daher nicht erwartet werden, dass der Umstieg auf einen legalen Verkauf gelingt, wenn die Bedingungen zu restriktiv gestaltet werden. Das muss bei der Festlegung eines maximal erlaubten THC-Gehaltes, der Preisgestaltung und der Auswahl verschiedener Cannabissorten berücksichtigt werden.

Der Preis für legales Cannabis sollte anfangs etwa auf dem Niveau des Schwarzmarktes liegen. Es ist zu erwarten, dass der Schwarzmarktpreis durch die legale Konkurrenz zurückgeht – parallel sollte dann auch der Preis für legales Cannabis sinken, um den Schwarzmarkt möglichst weitgehend zu reduzieren. Wenn zu einem späteren Zeitpunkt Cannabis-Fachgeschäfte etabliert sind und der Schwarzmarkt keine große Rolle mehr spielt, können die Preise wieder angehoben werden. Das ist aus gesundheitlichen Gründen sinnvoll, weil wissenschaftlich klar nachgewiesen ist, dass der Konsum bei höheren Preisen zurückgeht (Manthey 2022).

Wenn Cannabis legalisiert wird, aber noch nicht ausreichend legales Cannabis aus Cannabis-Fachgeschäften verfügbar ist, wird dadurch der unkontrollierte Konsum aus illegalen Quellen gefördert. Das sollte in Deutschland unbedingt vermieden werden. Sinnvoll wäre, die gesetzliche Legalisierung für Konsument:innen erst einzuführen, wenn zuvor genügend Zeit für den Aufbau von Produktionsstätten (oder den Abschluss von Importverträgen) und eines Vertriebsnetzes mit Cannabis-Fachgeschäften gegeben wurde. Mitarbeiter:innen von Cannabis-Fachgeschäften müssen erst gefunden und geschult werden. Es wird ein Präventionskonzept benötigt. Anträge auf Lizenzen für Cannabis-Anbau und Produktion oder die Eröffnung eines Cannabis-Fachgeschäftes müssen gestellt und bearbeitet werden. Entsprechende Investoren brauchen Planungssicherheit. Daher spielt der zeitliche Ablauf der Legalisierung eine große Rolle.

Information und Prävention

Gut gelungen ist in Kanada, den Informationsstand und die Risikoeinschätzung bzgl. Cannabis in der Bevölkerung zu verbessern, wie der Canadian Cannabis Survey zeigt. Hierzu wurde in verschiedenen Medien in Informations- und Präventionsangebote mit realistischen und wissenschaftlich-neutralen Inhalten und Darstellungen investiert. Natürlich wird dadurch nicht sofort die gesamte Bevölkerung erreicht, aber die kanadischen Erfolge der ersten drei Jahre sind beeindruckend. Besonders wichtig sind ein guter Informationsstand und eine realistische Risikoeinschätzung, um das Verbot von Cannabis für Minderjährige zu vermitteln, obwohl Cannabis für Erwachsene erlaubt ist. Eine die Legalisierung begleitende Prävention in Deutschland muss das Ziel haben, dass eine große Mehrheit weiß, dass Cannabis für Minderjährige schädlich ist, weil es die Hirnentwicklung schädigt. Wer mit dem Cannabiskonsum bis zum Alter von 18 Jahren wartet, verhindert eine potenziell dauerhafte Beeinträchtigung der Intelligenz und anderer Hirnfunktionen. Dieses Wissen muss weit verbreitet werden, um das Image von Cannabis als Jugenddroge abzulösen.

In den letzten 20 Jahren wurde die Häufigkeit von Cannabiskonsum unter Jugendlichen vor allem durch das Image beeinflusst, das Cannabis bei Jugendlichen hatte. Wenn Cannabis als cool galt und beliebte Musiker:innen Cannabis propagierten, stieg der Konsum an, und wenn Rauchen verpönt und sportliche Aktivität „in“ war, sank der Cannabiskonsum. Hier muss man ansetzen. Das Ziel muss sein, dass Jugendliche Cannabis „uncool“ finden. Die Präventionsmaßnahme „Alkohol – Kenn dein Limit!“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) kann dazu als Beispiel dienen. Dort werden zielgruppenspezifische Botschaften zum Alkoholkonsum mit für sich gesehen positiven Situationen verknüpft, z. B. Party-Fotos mit dem Spruch „Flirten oder Abstürzen“, ein Foto zum Autofahren mit dem Text „In die Zukunft oder Endstation“ oder ein Sportmotiv mit dem Text „Nichts kann uns bremsen, außer Alkohol“.

Cannabis weist genauso wie Alkohol spezifische Nachteile auf, die für die Prävention genutzt werden können. Cannabiskonsum passt nicht zum Aktivsein, zu Sport, Lernen und dem Knüpfen sozialer Kontakte, zu Erfolg und Spaß mit anderen, sondern ist eher mit Zuschreibungen assoziiert wie: träge, hängt nur rum, bleibt immer auf dem Sofa, redet nicht viel, lebt in seiner eigenen Welt, vergesslich, verwirrt, unsportlich, Einzelgängertum und Paranoia. Das Image einer Droge und die Einschätzung der Risiken sind in der Regel über lange Zeit konstant und nur schwer veränderbar. Trotzdem ist es in Kanada innerhalb von drei Jahren gelungen, die Risikowahrnehmung zu differenzieren und zu verbessern. Das stellt nun auch für Deutschland eine herausfordernde Aufgabe dar.

Jugend- und Gesundheitsschutz vor kommerziellen Interessen

Kanada weist die weltweit größte Industrie für Cannabisanbau bzw. Cannabisproduktion auf. Nachdem die finanziellen Erwartungen nach der Legalisierung 2018 nicht erfüllt wurden, baute die Cannabisindustrie Druck auf die Politik auf, den Umgang mit Cannabis zu kommerzialisieren. Ein Jahr nach der Legalisierung, im Oktober 2019, wurden daher auch Cannabis-Edibles (z. B. THC-haltige Schokolade, max. zehn Milligramm THC pro Packung), Cannabis-Extrakte (zum Rauchen oder Essen, max. zehn Milligramm THC pro Konsumeinheit, max. 1.000 Milligramm THC pro Packung) und Cannabis-Topicals (zum Auftragen auf die Haut, max. 1.000 Milligramm THC pro Packung) zugelassen. Leider hat Kanada damit den Weg einer am Jugend- und Gesundheitsschutz orientierten Cannabislegalisierung teilweise verlassen. Allerdings ist es dadurch gelungen, den Schwarzmarkt weiter zurückzudrängen.

In Deutschland haben Alkohol- und Tabakindustrie über Jahrzehnte die Politik und die Bevölkerung mit falschen Informationen versorgt. Hinsichtlich Cannabis gilt es deswegen, wachsam zu sein und dem kommerziellen Druck der Industrie Stand zu halten. Durch die jahrelange Diskussion über den Umgang mit Cannabis sowie mehr und bessere wissenschaftliche Daten und Informationen aus anderen Ländern mit Cannabislegalisierung besteht aber nun die Hoffnung, in Deutschland einen verantwortungsvollen Umgang mit Cannabis zu finden, der sich eindeutig am Jugend- und Gesundheitsschutz orientiert.

Kontakt:

Prof. Dr. Derik Hermann, Dr. Dirk Kratz
Therapieverbund Ludwigsmühle gGmbH
Paul-von-Denis-Str. 13
76829 Landau
Derik.Hermann(at)ludwigsmuehle.de, Dirk.Kratz(at)ludwigsmuehle.de
Tel. 06341 / 5202 0
www.ludwigsmuehle.de

Angaben zu den Autoren:

Prof. (apl) Dr. med. Derik Hermann, Chefarzt Therapieverbund Ludwigsmühle, Facharzt Psychiatrie und Psychotherapie
Dr. phil. Dirk Kratz, Diplom-Pädagoge, Geschäftsführer Therapieverbund Ludwigsmühle gGmbH, stv. Vorsitzender fdr+ Fachverband Drogen- und Suchthilfe e.V.

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