Von der Approbation zur / zum Fachpsychotherapeut:in
Seit 1999 gibt es in der Bundesrepublik das „Psychotherapeutengesetz (PsychThG)“, welches u. a. die Voraussetzungen für die Approbation als „Psychologische Psychotherapeutin“ bzw. „Psychologischer Psychotherapeut“ regelt. Bisher galt, dass in einer mindestens dreijährigen Ausbildung an einem staatlich anerkannten Institut die Qualifikation zur Ausübung eines Heilberufes mittels eines erlernten wissenschaftlich anerkannten psychotherapeutischen Verfahrens (Verhaltenstherapie, Systemische Psychotherapie, Tiefenpsychologische Psychotherapie, Psychoanalyse) erworben werden konnte. Unter anderem wurde ein praktischer Einsatz in der Psychiatrie oder Psychosomatik im Umfang von insgesamt 1.800 Stunden gefordert, der in der Vergangenheit zumeist nur sehr gering vergütet worden ist. Erst seit 2020 besteht die Verpflichtung der Ausbildungsstätten, 1.000 Euro bei einer Vollzeittätigkeit zu vergüten. Diese Ausbildungsform wird es parallel zur neuen Weiterbildung bis 2032 geben.
Die neue Weiterbildung der Psychotherapeut:innen
Am 1. September 2020 ist ein neues Psychotherapeutengesetz in Kraft getreten, welches zu einer grundsätzlich neuen Form der Approbation zur Psychotherapeutin bzw. zum Psychotherapeuten führt und eine Weiterbildung zu Fachpsychotherapeut:innen beinhaltet. Es wird damit eine strukturelle Angleichung an die Weiterbildung der Ärzt:innen realisiert werden.
Voraussetzung für die Ausbildung zur / zum Fachpsychotherapeut:in ist ein Hochschulabschluss (Master) für alle zukünftigen Psychotherapeut:innen. Das Studium („Klinische Psychologie und Psychotherapie“) ist praxisorientiert, speziell an der psychotherapeutischen Arbeit ausgerichtet und befähigt zur Berufstätigkeit. Die Dauer der Weiterbildung beträgt bei einer Vollzeittätigkeit mindestens fünf Jahre.
Um für die Weiterbildung zugelassen zu werden, ist das Bestehen der staatlichen Approbationsprüfung notwendig, welche sich nach dem erfolgreichen Masterabschluss anschließt. Die Weiterbildung wird an verschiedenen Weiterbildungsstätten, die aus dem stationären, ambulanten oder institutionellen Bereich psychotherapeutischer Versorgung kommen, durchgeführt.
Zur ambulanten Versorgung gehören insbesondere Weiterbildungs- und Hochschulambulanzen sowie Praxen. Die stationäre Versorgung umfasst insbesondere (teil-)stationäre Einrichtungen der Psychiatrie, Psychosomatik und Neurologie sowie in vollem Umfang auch stationäre Einrichtungen der medizinischen Suchtrehabilitation. Zum institutionellen Bereich gehören insbesondere Einrichtungen der Jugendhilfe, der somatischen Rehabilitation, des Justiz- und Maßregelvollzugs, der Behindertenhilfe, der Sozialpsychiatrie, der Sozialpädiatrie, der Gemeindepsychiatrie, des öffentlichen Gesundheitsdienstes, der psychosozialen Fachberatungsstellen und -dienste sowie der Suchthilfe.
Die Weiterbildung findet in hauptberuflicher Beschäftigung statt, somit gehören Theorievermittlung, Supervision und Selbsterfahrung zu dieser hauptberuflichen Tätigkeit und finden während der Arbeitszeit statt. Sie sind deshalb auch vom Arbeit- oder Dienstgeber zu bezahlen.
In der Weiterbildungsordnung wird zwischen Gebiets- und Bereichsweiterbildung unterschieden.
- Die Gebietsweiterbildung unterscheidet die Qualifikation zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen einerseits und für die Behandlung von Erwachsenen andererseits. Hinzugekommen ist das Gebiet „Neuropsychologische Psychotherapie“ für alle Altersgruppen.
- Die Bereichsweiterbildung setzt auf der Gebietsweiterbildung auf und dient der Spezialisierung, bei der eingehende und besondere Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in einem bestimmten Weiterbildungsbereich gesammelt werden (z. B. „Sozialmedizin“). Weiterbildungsabsolvent:innen erhalten einen so genannten ankündigungsfähigen Titel, auch als Zusatzbezeichnung bekannt, d. h., diese Qualifikation darf z. B. im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit genutzt werden.
Download der Muster-Weiterbildungsordnung für Psychotherapeut:innen
Perspektiven für die Suchthilfe
Im Zusammenhang mit der neuen Weiterbildung ist die Frage der Finanzierung noch weitgehend ungeklärt. Es ist auch spannend, wie sich die Leistungsträger (also die Krankenkassen und Rentenversicherungsträger) zu dieser neuen Form der Weiterbildung stellen werden. Im Rahmen der neuen Personalrichtlinie für die Bereiche der psychiatrischen und psychosomatischen Akutbehandlung im Sinne des SGB V ist die Gruppe der Fachpsychotherapeut:innen schon aufgenommen worden. Im Rahmen der medizinischen Rehabilitation gibt es in den Stellenplänen diese Berufsgruppe noch nicht.
Auf jeden Fall wird sich die psychotherapeutische Versorgung in der Zukunft deutlich ändern. Aus heutiger Sicht könnte das ein Gewinn für die Suchthilfe werden. Dieser besteht v. a. darin, dass, wie bereits beschrieben, die gesamte stationäre (zweijährige) Weiterbildungsphase in der medizinischen Suchtrehabilitation absolviert werden kann und nicht, wie bislang im Rahmen der Ausbildung als psychologische:r Psychotherapeut:in, nur 600 von insgesamt 2.400 Stunden. Auch können die Weiterbildungskandidat:innen mindestens ein Jahr einer Tätigkeit im Rahmen der Suchthilfe (von der Primär- bis zur Tertiärprävention) anerkannt bekommen. So könnte sich bei entsprechender Zustimmung der regionalen Rentenversicherungsträger die psychotherapeutische Arbeit in der ambulanten und stationären medizinischen Rehabilitation deutlich verbessern. Des Weiteren wird zukünftig durch die Bereichsweiterbildung „Sozialmedizin“ die Bedeutung der Fachpsychotherapeut:innen in der medizinischen Rehabilitation gestärkt. Dieses Curriculum ist quasi identisch mit der jetzigen Weiterbildung, die allerdings nur Ärzt:innen zum Tragen dieser Zusatzbezeichnung berechtigt. Mit der neuropsychologischen Psychotherapie kann zukünftig auch Menschen mit Störungen durch psychotrope Substanzen, bei denen kognitive Beeinträchtigungen entstanden sind, wirkungsvoll geholfen werden.
Handlungsempfehlungen für die Fachkliniken
Welche Handlungsempfehlungen lassen sich aus den beschriebenen Neuerungen insbesondere für die Fachkliniken der medizinischen Suchtrehabilitation ableiten?
- Die Anerkennung der Fachklinik als Weiterbildungsstätte sollte bei der zuständigen Psychotherapeutenkammer nach Verabschiedung der Weiterbildungsordnungen (vermutlich bis Ende 2022) beantragt werden.
- Geeignete psychologische Psychotherapeut:innen sollten ihre Ermächtigung zur Weiterbildung bei der zuständigen Psychotherapeutenkammer beantragen.
- Auf der Grundlage der Weiterbildungsordnung sollte ein Weiterbildungscurriculum unter Umständen auch in Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen der Suchtrehabilitation erarbeitet werden.
- Es sollten Kooperationsverträge mit den infrage kommenden psychologischen Fachbereichen der Universitäten für Bachelor- und Masterstudierende abgeschlossen werden.
- Es sollten Weiterbildungsverträge vorbereitet werden.
Kontakt:
Dr. Clemens Veltrup
veltrup@fachklinik-freudenholm-ruhleben.de
Angaben zu den Autoren:
Dr. Clemens Veltrup, Dipl.-Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut, ist Leitender Therapeut der Fachklinik Freudenholm-Ruhleben, Schellhorn, und Geschäftsbereichsleiter „Suchthilfe“ im Landesverein für Innere Mission in Schleswig-Holstein. Er ist Präsident der Psychotherapeutenkammer Schleswig-Holstein und Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Suchthilfe e. V..
Thomas Hempel, Facharzt für Psychiatrie, Zusatzbezeichnungen Psychotherapie und Sozialmedizin, ist Geschäftsführer und gesamtärztlicher Leiter der Therapiehilfe gGmbH. Er ist Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Suchthilfe e. V.